Archispirostreptus gigas (noch ein Jungtier!)
Archispirostreptus gigas (noch ein Jungtier!)

Riesenschnurfüßer

(Archispirostreptus gigas)

 

Haben Tausendfüßer wirklich tausend Beine? Erstens: nein, und zweitens: diese Tiergruppe zerfällt ja bei näherem Hinsehen in die Tausendfüßer (Diplopoda), die einen im Querschnitt runden, meist dunklen Körper und ein paar hundert Beinpaare haben und sich gemütlich von allerlei pflanzlichen Abfällen ernähren, und die flachen, hell-rotbrauen Hundertfüßer (Chilopoda), die sich schnell bewegen und räuberisch leben. Von beiden Gruppen gibt es kleine, heimische Vertreter auch vor unserer Haustür. Die mediterranen und tropischen Vertreter werden viel größer, und da können die großen Hundertfüßer, die „Skolopender“ mit ihren giftdrüsenbewehrten Raubkiefern auch den Menschen ganz empfindlich beißen.

Von den Tausendfüßern sind jedoch auch die größten tropischen Arten harmlose Vegetarier und Resteverwerter, die am Tage versteckt unter Holz oder im Boden leben, um sich nachts auf die Suche nach Obst, verrottenden Pflanzenresten oder auch toten Insekten zu machen. Auch mürbes Holz können sie verwerten, wobei ihnen darmbewohnende Bakterien beim Abbau der Zellulose helfen.

Viele der tropischen Arten sind beeindruckende Gesellen, und ich hatte das Glück, gleich die Größte von allen zu erhalten: Archispirostreptus gigas aus dem tropischen Afrika. Ausgewachsen können die Tiere daumendick und 30 cm lang werden, aber das dauert ein paar Jahre. Überhaupt geht alles bei ihnen gemächlich: Nacht für Nacht kommen sie ans Futter, um sich alle paar Monate für einige Woche unter die Erde zurückzuziehen, wo sie eine Höhle graben, um sich zu häuten. Vergrößert, um einige Körpersegmente reicher und besonders schön glänzend erscheinen sie dann wieder an der Oberfläche. Auch die Eier werden im Boden abgelegt, und bei zusagenden Bedingungen entdeckt man eines Tages die winzigen Jungtiere, die erst ganz wenige Ringe haben. Man muss also in allem Geduld haben und darf das Substrat keinesfalls dauernd durchwühlen, um nicht die Brut oder sich häutende Tiere zu zergraben.

Die Haltung ist einfach: will man die Tiere besonders schnell vermehren, bietet man Bodenwärme (aber außerhalb des Beckens; Heizkabel werden angenagt!); ansonsten reicht Zimmertemperatur. Sonne oder Belichtung brauchen die lichtscheuen, nachtaktiven Tiere nicht. Als Substrat verwenden wir Walderde oder humose Gartenerde, die wir ein paar Tage in der Gefriertruhe durchfrieren, um unerwünschte Mitbewohner abzutöten. Darauf kommen einige morsche Holzstücke, die zugleich als Tagesversteck und als „Snack“ dienen; als Nahrung geben wie alles erdenkliche Obst und Gemüse „von Apfel bis Zucchini“. Sehr beliebt ist weißfaules Holz von Buchen, Eichen oder anderen Laubhölzern (niemals Nadelholz!), das wir auf die feuchte Erde legen, die Tiere höhlen es gierig aus. Wichtig sind Eierschalen oder Sepiaschulp, da die Tausendfüßer einen hohen Kalkbedarf haben.

Alles in allem sind Riesenschnurfüßer also gemütliche, liebenswerte Tiere mit leicht zu erfüllenden Ansprüchen. Und obendrein haben sie etwas Urtümliches: diese erdgeschichtlich alte Tiergruppe überbringt uns einen Gruß aus der Steinkohlezeit (Karbon, vor 300 Mio. Jahren), als es noch lange keine Dinosaurier gab und die Welt den Farnen und den riesigen Gliederfüßern gehörte.

 

Jetzt bekam ich zufällig ein altes Weibchen von Arcispirostreptus gigas, die bei mir ihren Altersruhesitz verleben soll. Acht Jahre soll sie schon alt sein! Aber das Tier ist ja der helle Wahnsinn! Mal sehen, ob ich noch einen Liebhaber für sie auftreiben kann ?!

Anadenobolus monilicornis


Diese Art kommt aus der Karibik und ist zwar nicht so wahnsinnsgroß (immer noch größer als unsere heimischen Arten!), aber dafür mit ihren gelben Ringen und weißrosa Beinen kontrastreich gefärbt.

Bei den Schnurfüßern geht alles gemütlich zu. Geht es ihnen gut, legen sie in der Bodenstreu ihre Eier ab. Man muss schon genau hinschauen, um nach Wochen unter dem Futter oder einem morschen Holzstück die winzigen Jungen zu entdecken. Mit einer starken Lupe sehen wir, dass es keine Fliegenmaden o.ä. sind, denn sie haben schon ein paar Beine. Mit jeder Häutung bekommen sie ein paar Segmente und Beinpaare dazu.